J W D
Janz weit drüben - oder droben
Ausgangslage:
ein Autor, im äußersten Südwesten zuhause, wo Radtouren nach Straßburg und Tagesfahrten nach Mailand gelegentlich auf die Agenda
kommen,
die Lust, das Pendant der deutschen Heimat zu erkunden, also den abgelegenen
Nordosten heimzusuchen
sowie die Erkenntnis der dortigen Ergiebigkeit des Themas
Eisenbahnarchäologie
hatten zum Ergebnis: ständige höchst reizvolle Großtouren in den Wilden Osten.
Ein erstes Kartenstudium führte
zum Erkennen des riesigen "Untersuchungsraumes", besonders unter
Berücksichtigung der kaum kurzfristig möglichen "Zweitschau" sodass Vollständigkeit ferner denn je erreichbar schien; mehr als anderswo
könnten Hinweise und Bildzusendungen beheimateter "Forscher"
wertvolle Ergänzungen sein.
Hauptthema und damit Routeneingrenzung ist - die Oder, Schicksalsfluss
und ein gutes halbes Jahrhundert Staats- und Wohlstandsgrenze. Die
Vielzahl der Querungen auch kleinster Bahnen verdeutlicht die Einheitlichkeit
der Region vor dem Weltkrieg. Kurz nach der Aufnahme Polens in die EU
bedeutet die Reise diesseits und jenseits der Grenze nicht nur Umwege
riesigen Ausmaßes (wenig Grenzübergänge aber auch geringe Wartezeiten) sondern auch Einblicke in (selbst
bahnlich) unterschiedlichste Welten. Hier jahrzehnte abgebaute
Kleinbahnen, dort Verkehr wie zu Opas Zeiten wenn auch streckenweise mit
Gleichstrom-Oberleitung, dazwischen Relikte der auch zu
Warschauer-Pakt-Bruderzeiten eher unerwünschten Grenzverkehre.
Nichtsdestotrotz war gerade dieses Ost-Militärbündnis auf die Eisenbahn als
Nachschublinie in Krisen- und Kriegszeiten angewiesen, sodass seit den 1960er
Jahren eine Vielzahl von weiteren strategischen Oder/Neisse-Bahn-Querungen vorbereitet worden waren. Die
Stäbe hatten richtig erkannt, dass NATO-Kampfbomber die bekannten
Flussbrücken zuallererst zerstört hätten - auch Verbindungskurven an
Knotenpunkten dienten einer möglichst variablen Umgehungs- und
Routenwahlmöglichkeit. Die in keinen Karten und Statistiken
auftauchenden Strecken (nicht immer mit Gleisen versehen) können erst seit
jüngerer Zeit begutachtet und dokumentiert werden. Mehr Militär- denn
Verkehrsgeschichte darstellend, seien sie als optisch passendes Reliktthema
hier mitbehandelt:
Von Süd nach Nord finden sich
folgende Strecken(systeme) vor:
Lausitz
/ Muskauer Heide:
- Charlottenhof - Lasów
strategische Neißequerung und Reserve für Horka -
Wegliniec (Güterbahn Falkenberg - Breslau)
Zwischen Neundorf und der
Neiße ist von der Militärbahn nichts zu sehen; erst auf polnischer
Seite erinnert ein Bahndamm mit Einmündung in Altstrecke gen Norden
an die vorgesehene Bestimmung.
An den Äckern um Charlottenhof überraschte der hervorragende
Gleiszustand (Stahlschwellen):
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Guter Gleiszustand
nahe Dammende Neundorf |
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Großer
projektierter Militärbahnhof ? |
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- Kleinbahn Horka - Priebus (heute Przewóz) ex KBS 157h
ehemals Neißebrücke südlich Steinbach
Die Strecke ist wegen
Militärflugplatzes und anderer Objekte um Rothenburg / Lodenau noch
im Güterverkehr betrieben.
An der Neißequerung sind Brückenteile über die
Überschwemmungswiesen jüngst abgetragen worden, Widerlager zeigen
sich teils ausgehöhlt, teils noch optisch verblendet.
2004 fanden
Hochwasserschutz-Baumaßnahmen statt.
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Widerlager
Neißegrundquerung: Natursteinverblendung |
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Oberbaumaterial
entfernt |
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Neiße
Hinten Widerlager Polen |
- Strecke Weißwasser - Bad Muskau - Teuplitz (Tuplice) ex
KBS 178k / DR 208
mit Brücke im Stadtgebiet:
- die Verbindungsstrecke Weißwasser - Forst ex KBS 178h /
DR 206 / DBAG 206.46:
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Guter Gleiszustand
korrespondiert hier mit abgetragenen Signalen und überteerten
Bahnübergängen; am alten Stellwerk Döbern bei Forst beachte man den
zurückgebliebenen leeren Blumenkasten auf dem Fensterbrett.
Unweit nördlich zweigt bei Jocksdorf noch immer ein in sehr gutem
Zustand befindliches Anschlussgleis zum alten Militärflughafen
Preschen ab...
Daten: Pv 1891 - 1996.
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Stellwerk Döbern
b Forst |
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- die (nördliche) Neißetalbahn Forst - Guben ex KBS 178h / DR 206:
Klassischer vorgefundener
Zustand:
überteerte Bahnübergänge, zugemauerte Empfangsgebäude, teils guter
Oberbauzustand, teils mit Bäumen überwachsen; plötzlich Teile neuer
Radweg (Briesnig - Grießen), an privaten Bahnhöfchen Trasse wüst mit Gleisen...
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Daten: Pv 1904 - 1981 |
Alter
Bahnhof Briesnig |
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Radwegende
Grießen |
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Stop - kleiner Exkurs, quasi
erzwungenermaßen:
Als an einem heißen Julimorgen
2007 das Team nichtsahnend die L50 nach Norden fuhr, wies an dieser
Stelle das Navi plötzlich an, nach der Spreebrücke nach links in
den Weg "Am Bahndamm" abzubiegen. Trotz widriger Umstände
(Zeitnot, lackschädigende Wuchsenge) siegte die Neugier - siehe da, nach
Umschaltung in den Modus TK, fand sich nahebei tatsächlich ein Bahndamm (der
DDR-Zeichnungshistorie sei gedankt, "stillgelegte Trasse" hier noch
echtes Symbol!) - spätere Ermittlungen ergaben, dass es sich in diesem
Biosphärenreservat Spreewald um die reizvollen Überreste des Spreewald-Bahnnetzes
handeln. Diese meterspurige einstige Cottbus-Lübbener Kreisbahn
existierte zwischen 1898 und 1970; Dämme sind an entscheidenden Stellen
romantische Radwege. Trotzdem: besagte Abbiegestelle ist doch sehr weit
(genau: 5180m) von diesem alten Bahndamm entfernt und tatsächlich lasse man
sich von Namen der manchmal überlangen Straßen/Wege nicht ins Bockshorn
jagen - dankenswerterweise scheint hier nun mancher Weg (für Anliegerzwecke
der verstreuten Höfe / Häuser notwendig!) den stimmigeren Namen "Zum
Bahndamm" zu tragen...
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Dies
ist Weg "Am Bahndamm", es findet sich später... |
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...dieser
idyllische Bahnradweg |
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Brücke
über Großes Fließ |
Zurück zur Grenze:
- Südumgehung
Guben
strategische Neißequerung zwischen Strecken Guben - Forst
und Gubinek - Lubsko
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Am Südrand der
"geteilten" Stadt zweigt die strategische Kurve gen Osten
ab; entfernte Schienen aber zurückgebliebene Gummieinlagen erinnern
an höchstqualitativen Bahndammbau. Im Bild die Kurve aus
Richtung Süden (hinten Strecke Forst - Guben); es gab auch eine aus
Richtung Norden - der Vereinigungspunkt wenig westlich der B112 liegt
nun inmitten neuer Fabrikgelände. |
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- zwei Neißebrücken Guben:
Leipzig - Posen = Guben - Gubin i.Betrieb;
Schlesische Bahn Frankfurt (Oder) - Sagan = Guben - Gubinek nur
zur Reserve wiederaufgebaut
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Breite Widerlager und
Brückenüberbauten zeugen von der einstigen zweigleisigen Hauptbahn
Frankfurt - Liegnitz - Breslau.
Auch hier massive Vergitterung - bis Mai 2004 EU-Außengrenze. |
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Von
Guben her eine Signalruine |
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...
auch ein Neben-BÜ erkennbar |
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Brücke
aber noch immer verrammelt... (2018) |
Odertal:
- strategische Oderquerung Kunitzer
Loose - Kunice als Verbindung der Strecken
Frankfurt - Guben und Kunowice - Cybinka
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Einschnitt mit
Brücke der B195 |
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Strategische
Brücke nun exklusive Traktorzufahrt |
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Direkt an der Oder ist keine Spur der
strategischen Querung mehr zu sehen, erst im "Landesinnern"
lässt sich vage eine Frostschutzschicht als Bahndamm ausmachen; ein
Straßenübergang ist massiv stabilisiert - kurz vor Wiesenau
schließlich erfreut plötzlich eine Stahlbrücke als befahrbares
Relikt sowie ein tiefer Einschnitt mit Radweg. |
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- das einst große Netz der Oderbruchbahn
ex KBS 128k
Zur Stabilisierung der
landwirtschaftlich geprägten Region von der Stadt Müncheberg gebautes
Regelspurnetz, eröffnet 1911/12. Anbindung an Staatsbahnen in
Wriezen, Golzow, Dolgelin und Fürstenwalde. Personenverkehr
eingestellt 1964-69.
Eine Kleinbahnstrecke führte von Dolgelin Richtung Alt Tucheband; ein hoher
Damm (wegen Bienenzucht nicht gut betretbar) holt gen Südwesten aus um dann
die Staatsbahnstrecke Eberswalde - Frankfurt zu überqueren und sich in
östlicher Richtung Sachsendorf zu nähern. Landwirtschaftliche
Großflächen ebneten hier auf weiten Strecken den Kleinbahndamm ein, selbst
die Verfolgung zu Fuß ist nur sehr schwer möglich.
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Dolgelin KlBf -
blühende Landschaft
Unweit links KBS 209.60 Frankfurt - Eberswalde |
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Signal, Weichen
(hier Nr.30 !) |
- Strecke Küstrin -
Frankfurt (ex KBS 129 / DR 175 / DBAG 206.62)
seit 1857 in Betrieb, zeitweise preußische Ostbahn, Personenverkehr bis 1996,
seit 2000 stillgelegt; abgebaut sowie abzweigend
- Neu-Manschnow
- Lugi Górzycki
strategische Oderquerung zwischen Küstrin - Frankfurt und Kostrzyn - Rzepin; zugleich Südumgehung Knoten Küstrin:
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Reitwein, Trasse
schon wenig sichtbar |
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Alter BÜ bei
Podelzig, je 2010 |
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Neu Manschnow:
Ende einer wichtigen Nebenbahn |
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Blick Süd, links
Abzweig zur Oder |
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Feldwegübergang
und Ende
Feld neuerdings Sieger |
- Wriezen - Jädickendorf (Godków)
ex KBS 123h / DR 172
mit heute noch vorhandener Brücke bei Zäckerick
(Siekierki) - als Reserve wiederaufgebaut, Güterverkehr bis 1960er
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Trotz jahrzehntelangen
Dornröschenschlafes sind einige Relikte auszumachen - allen voran der
anhand der Bäumchen verfolgbare Bahndamm.
Massive Oderbrücke für strategische Zwecke vorgehalten. |
Bhf Alt-Mädewitz privat;
Bahnsteigkante aber nicht BÜ vorhanden |
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Wegübergang Blick
Nordost |
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Oderbrücke
Zäckerick mit Resten alter Pfeiler |
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Trasse ebenfalls
massiv gegen Grenzübertritte gesichert |
Halten wir in Wriezen kurz inne -
schließlich sieht auch der auf der ausgebauten B167 Durcheilende sehr
prägnante Relikte:
Berlin - Wriezen. Diese 1898 eröffnete Nebenbahn (am
Ostbahnhof einst gar mit eigenem außenliegenden Bahnsteig versehen) verlor
sukzessive ihre Bedeutung (1973 als DR-KBS 171 Werneuchen - Wriezen geführt,
ganze 4 Zugpaare), nach Teilung der durchgehenden Züge in Tiefensee 1997
Einstellung des Personenverkehrs auf ebenjenem 25km langen Ostabschnitt
(Tiefensee - Wriezen) 1998. Hier in Abschnitten Draisinenbetrieb;
der Neubau der Westumfahrung Wriezen (B167) trennte die Bahntrasse brutalstmöglich
ab, wodurch reizvolle Fotomotive entstanden ;-)
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nahe der
Abtrennung auch abzweigende Gleise |
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Zwei
unterschiedlich trassierte "Abtrennungen" an der... |
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....neuen B167 (je
2010) |
- Neurüdnitz
- Siekierki
strategische Oderquerung zwischen Strecken Eberswalde - Frankfurt und Szczecin
- Kostrzyn (kleine Umgehung Wriezen-Godków): trotz der nahen und nur
aus militärstrategischen Gründen vorgehaltenen "echten"
Oderbrückenbahn (s.o.) war erst 1984 die Umgehung gebaut worden; dazu musste
am Oderdeich eine Art Schleuse integriert werden. Nur einmal befuhr ein
Güterzug die Militärpontonbrücke und Neubaustrecke, der polnische
Streckenast verfiel bald.
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Abzweigung
strategische Kurve (rechts) |
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Damm mit
modernem Durchlass |
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Deutlicher Damm
mit Wegübergängen |
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Massive Brücke
über Meliorationsgraben
Hinten Oderdeich nun ohne Achillesferse Scharte |
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Reste von
Befestigungen für
Pionierpontonteile |
Linktipp: diese Strecke im
früheren Zustand:
- Kleinbahn Freienwalde - Zehden (Cedynia) ex KBS 123f / DR
109e
Die nur 17km lange Stichbahn konnte erst 1930,
nach jahrzehntelangen Bemühungen sowie mehrerer Bauunterbrechungen, eröffnet
werden. Bescheidene Verkehrszahlen und Brückenschäden kriegs- und
hochwasserbedingt sowie das zu Polen gekommene Ostodergebiet setzten der
Kleinbahn - DDR-Rest seit 1949 Teil der DR - arg zu; der letzte
Personenzug bis Hohenwutzen westlich der Oder verkehrte im Juni 1965,
Güterverkehr endete nur ein Jahr später. Offizielle Stilllegung am 1.3.1967.
Größte Bauwerke waren die mitgenutzte Oder-Stahlfachwerkstraßenbrücke (schon
1904 vom Kreis errichtet) in Hohenwutzen (heute hier Neubau von 1955) sowie
die Alte-Oder-Brücke bei Schiffmühle; sichtbare Zeugnisse sind vielfach die
alten Bahnhofsgebäude.
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Kleinbahndamm
schwenkt ab
Hauptbahn hier auf deren alter Trasse |
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Hohenwutzen
Relikte der alten Oderbrücke nicht auszumachen - rechts neue |
- die Erschließungsbahn
Angermünde - Freienwalde ex KBS 123a / DR 922 / DBAG 296
zu DDR-Zeiten Teil einer
grenznahen Nord-Süd-Route Stralsund - Frankfurt - Guben - Forst - Horka -
Görlitz
1877 als Ergänzung zur Berlin-Stettiner-Hauptbahn errichtet, stets
eine Regionalbahn geblieben, Personenverkehr eingestellt 1995
Bauwerke: Brücken über Alte Oder bei Schiffmühle (neben Zehdener,
s.o.) und Oderberg. Nach kriegsbedingter Sprengung der ersteren wurde
die Staatsbahn kurzerhand auf die Kleinbahnbrücke verlegt und bis heute auf
einigen Kilometern so belassen.
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Alte Oder
Schiffmühle: Fundament Hauptbahnbrücke (2004) |
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2018 noch
morbider... |
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Bhf Bralitz - im
Verfall |
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Oderberg-Bralitz:
Brücke schon abgetragen |
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Diese Bahnstrecke erreicht nördlich bald die
Uckermark.
Linktipp: alles zu den
obigen Strecken (Brandenburg) findet sich auf www.bahnstrecken.de
zur Oderbruchbahn siehe auch unter axelkrueger.de