Unterfranken:

Bad Neustadt (an der Saale) - Bad Königshofen (im Grabfeld)  (Saaletalbahn*)  Ex-KBS 418g, 815

Geographische Lage
Im Norden Unterfrankens, zwischen Rhön, Thüringer Wald / Werratal und den Haßbergen liegt das sanft-hügelige Grabfeld, einst Herrschaft der Henneberger, seit den 1970ern verwaltet vom Landkreis Rhön-Grabfeld (Altkreise Neustadt und Königshofen). Das fruchtbare Land (Raps, Weizen, Rüben) wird durchzogen von den Flüsschen Fränkische Saale, Streu und Milz.  Diese führen zur Schneeschmelze übermäßig viel Wasser ab, leiden insgesamt aber an der durch die Sperrwirkung der Hohen Rhön bedingten Niederschlagsarmut.

Verkehrslage
Den sich seit langem entwickelten Verkehrsbeziehungen Würzburg - Meiningen und Fulda - Coburg/Bamberg (mit Kreuzung bei Neustadt) tragen die alten Chausseen und heutigen Fernstraßen B19 und B279, seit 1874 auch die Eisenbahnmagistrale Schweinfurt - Grimmenthal (mit Anschluss an die Waldbahn nach Erfurt bzw. die Werrabahn nach Eisenach) Rechnung. Nach der Verkehrsexplosion (Deutsche Einheit, Osterweiterung) wird die fast fertiggestellte Autobahn 71 Schweinfurt - Erfurt den Ortsdurchfahrten der Region Linderung verschaffen.

Der Eisenbahnbau
Nach Errichtung der großen Eisenbahnlinien Werrabahn Coburg - Meiningen (1859) und Ebenhausen - Meiningen (1874) sind eine Vielzahl weiterer Strecken angedacht, geplant oder beantragt gewesen; eine hier interessierende Verbindung Bamberg - Königshofen - Streutal (Meininger Strecke) scheiterte 1877.  So blieb dem Saaletal / Grabfeld wie vielen anderen Regionen nur die Hoffnung auf einen "Ergänzungsbahn"-Bau, wie er im Königreich durch die "Vicinalbahn-", "Secundaerbahn-" und schließlich "Localbahnbau"-Gesetze (sie unterschieden sich besonders in der Kostentragungsverteilung) möglich geworden ist.
In der "Lokalbahnbau-Gesetzes-Runde" vom 30.April 1888 wurde auch die normalspurige Verbindung von Königshofen und Neustadt beschlossen; dabei war der angedachte, rein örtlich zwingendere Anschluss der Nebenbahn an die Hauptbahn bei Heustreu wegen verkehrlicher und betrieblicher Nachteile zugunsten der direkten, teils parallelen Führung gen Neustadt verworfen worden. Neustadt und sein Bahnhof hatte selbst bereits seit 1885 die Einführung der Brendtalbahn (an den Fuß der Rhön bei Bischofsheim) gut verkraftet.
Der Bau der Strecke fand in gutem Tempo zwischen Ende 1892 und Sommer 1893 statt; der erste Güterzug konnte schon am 2.August des Jahres verkehren, wohingegen erst am 14.September die offizielle Probe- und Abnahmefahrt absolviert wurde.
Der 27.September 1893 ist als feierlicher Eröffnungstag (mit Sonderzug für geladene Gäste) in die örtlichen Annalen eingegangen. 

Die Strecke
Die Umgehung der drei bewaldeten "Großhügel" Eichelberg (Heustreu), Storchsberg (Eichenhausen) und Kreuzberg/Galgenberg (östlich Saal) führte zur großen Streckenlänge von gut 23km und damit einem Umwegfaktor gegenüber der Luftlinie von knapp 40%. Gemäß der Streckenführung saaleaufwärts war eine Höhendifferenz von 232m (Neustadt) zu 276m (Königshofen - jeweils über NN) zu "erklimmen", wobei mit den Parametern größte Steigung 15 Promille, kleinster Bogenhalbmesser von 180m sowie 40km/h Höchstgeschwindigkeit unspektakuläre Werte abzulesen sind.  An Stationen sind ausgeführt worden:  Halteplatz (Hp) Heustreu in km 3,91, Haltestelle (Hs) Hollstadt (km 5,82), Hp Taubachsmühle (km 9,69), Hs Wülfershausen (km 11,00), Hs Saal (km 12,68), Hs Kleineibstadt (km 16,53), Hs Großeibstadt (km 19,23) sowie Station Königshofen (km 23,25).  Die Haltestellen erhielten je ein mehr oder weniger großes Agenturgebäude.

Der Eisenbahnbetrieb
1.Oktober 1893
:  Beginn des fahrplanmäßigen Personenverkehrs.  Zwei Zugpaare pro Tag, zuzüglich ein dienstägliches Markttag-Paar.
Zwei Krauss-Dreiachs-Dampfloks D VII stehen zur Verfügung.
Nach 1900 Einsatz der größeren Tenderlok D XI; nun drei Zugpaare plus ein sonntägliches Paar (Strecken-Nr. 100)
Vor dem ersten Weltkrieg immerhin drei Paare zuzügl. zweier Sonn- bzw. Markttagspaare (Strecken-Nr. 150)
Anfang der 1930er Jahre Ersatz der D XI (nun 98.4-5) durch die stärkere 98.8-9 (ex GtL 4/4)  - drei Personenzugpaare (KBS 417h).
Nach dem Zweiten Weltkrieg werktäglich bis zu vier Zugpaare (KBS 419h, 418h, 418g) - Blüte vielleicht 1958 (über 72000 verkaufte Fahrkarten, gut 47000t Güterversand).

Niedergang und Stilllegung
Eine aufstrebende Industrie (Preh, Siemens) sowie weiterführende Schulen in Bad Neustadt und Königshofen hatte in den 1950/60ern zu einem stetigen Pendlerstrom geführt.  Die auch in der eher ärmlichen Region in Fahrt gekommene Massenmotorisierung sowie ein durch die Bundesbahn begonnener Busparallelverkehr mussten zwangsläufig zu einem Niedergang der Nebenbahn führen.  So verschwanden zunächst Bedarfshaltepunkte (Heustreu 1961, Taubachsmühle 1963), wurde zum Winter 1965 der Fahrplan auf zwei Zugpaare (Schülerverkehr) zusammengestrichen, während die Buslinie erblühte. Seit Sommer 1967 gab es nur noch ein einziges Zugpaar, das - nach letztmaligem Dampfeinsatz im September 1968 - von Dieselloks der Reihe 211 gezogen wurde.
1972 führte die Kursbuchstrecken-Umgruppierung zur neuen Strecken-Nr. 815; der Personenverkehr auf der Saaletalbahn hatte mit dem Einsatz eines Schienenbuspaares (abends nach Königshofen, morgens zurück nach Bad Neustadt) seinen Tiefpunkt erreicht.
Am 28.Mai 1976 fuhr der letzte planmäßige Personenzug, nachdem (trotz Förderung der Zonenrandlage) zuvor der Verkehrsminister die Reisezugeinstellung genehmigt hatte.

Der verbliebene Güterverkehr (werktägliche Übergabe) wurde von Loks der Reihen 211, 215 (1981/82), 323, 332 gezogen. In den 1990ern machten sich auch 212er vor den immer kürzeren Übergabezügen (oft ein einziger Waggon) nützlich.
Anlässlich der 100-Jahr-Feiern der Strecke, der in der Region sehnlichst erwarteten und in Planung befindlichen Autobahn A81 (heute A71) waren Hoffnungen auf eine Renaissance des umweltfreundlichen Verkehrsträgers laut geworden.  Gleitzeit, Zersiedelung und eine immer weiter zunehmende Privat-Motorisierung mussten aber auch hier zu einem Scheitern solcher Träume führen.  Letzter winziger Güterverkehr im Saaletal endete zum 31.12.1994.


Abbau und Umbau
Der stillgelegten Saaletalbahn war kein langes Dahinvegetieren und Überwuchertwerden beschieden. Zwei Bahnübergänge mit der vielbefahrenen B279, darunter der extrem gefährliche, in einer Hundekurve gelegene nahe Taubachsmühle, mit ihren bei hohen Tempi negativ "durchschlagenden" Unebenheiten waren die einzigen zunächst wirklich störenden "Zwangspunkte"; die Abwesenheit größerer, gar baufälliger Relikte hätte eigentlich zu einer klassischen Bahntrassenwüstungszeit führen müssen, zumal die neue Bahn AG wie ihre Vorgängerin Bedarf an abgefahrenen Schienen (selbst einst bei Hauptbahnen ausgedient eingewechselt) nun wirklich nicht mehr hatte.  Doch nun, betriebswirtschaftliches Denken und Handeln hatte wohl eingesetzt, sollten die Stahlträger der Flutungsbrückchen noch so großen Schrottwert haben, dass ein zeitnaher Abbau einsetzte.  Anwohner und Chronisten erduldeten 1996 / 1997 das mitunter nächtliche Schneidbrennen und Trennen samt vielfacher Schrottabfuhren - ausschließlich per LKW.  Das Herausheben und Stapeln der anhängergerechten Gleisjoche besorgte ein Zweiwegebagger, der als allerletztes Gleisfahrzeug in willkürlicher Abfolge die jeweils verbliebenen Streckenteile befuhr; sein kleines Bedienungsteam hatte bei der Arbeit ganz offenkundig ein etwas schuldbewusstes Gefühl.  Das einem Frevel gleichkommende oberirdische Abschlagen der noch zahlreich vorhandenen Kilometersteine - hier einst in hellem Kalkstein mit großem Fundamentbrocken ausgeführt - wahrscheinlich den Abbau-Vertragsmodalitäten geschuldet, markierte den absoluten Tiefpunkt der Behandlung lokaler Verkehrsgeschichte.
Wir schreiben die Zeit um Millennium und nicht zuletzt sprudelnde EU-Mittel führten nun zur klassischen Bahntrassenradwegbaueuphorie - dumm nur, dass an entscheidenden Abschnitten schon lange Zeit unmittelbar parallel verlaufende Wirtschafts- und Radwege liegen.  So ist im Bereich zwischen Herrschfeld und Heustreu ein geteerter, für Mopeds freigegebener Wirtschaftsweg eine jahrealte wichtige Ortsverbindung, können Radler und Wanderer im idyllischen Saaletal um Hollstadt / Neumühle / Herrnmühle bis Wülfershausen schon immer straßenfern ihre Ziele erreichen.  Im Bereich zwischen Heustreu und Hollstadt (hier Ersatz eines teils zugewucherten Pfades) sowie zwischen Saal und Bad Königshofen dient der neue mit bestem Asphalt versehene Radweg neben seinem Ursprungszweck vermehrt der Feierabendbeschäftigung Rollerbladen.


Dokumentation und Spurensuche

Abschnitt I  (Kilometer 0 bis 2):  Schotterwüstung in Parallellage
Die Königshofer Strecke verlässt den Bahnhof Neustadt parallel zur zeitweise zweigleisigen Franken-Meiningen-Magistrale und verläuft die ersten fast zwei Kilometer treu neben ihr, sich allmählich dem Saalegrund entgegensenkend.  In Sichtweite eines die Zeiten überdauernden, nun privaten Bahnwärterhäuschens der Hauptstrecke zweigt sie in östlicher Richtung ab und überquert nach Passieren des einst stolzen km2-Steines mittels zweier Flutbrücken den Wiesengrund der Saale.

Den Zugverkehr auf der fast stillgelegten Hauptbahn versahen in den 1970/80ern VT614 und 211/212; nach Wiedervereinigung und Lückenschluss machten sich verstärkt DR/DBAG-232 und 202er nützlich.  Die Gegenwart sieht Monokultur vom Typ VT642 - die Zukunft wohl RegioShuttle der STB.
Drei Gleise nebeneinander gab es hier von 1913 bis März 1965;  zuletzt wurde das Königshofer Gleis unmittelbar vor Beginn der nördlichen Weichenstraße des Bahnhofes Neustadt in die Hauptstrecke eingeleitet sodass kein unabhängiger Verkehr möglich war.

 

Von der erhöhten B19 bot sich 1995 das Bild der Saalegrund-Doppelkurve am Hauptbahn-Wärterhaus

 

Abschnitt II  (Kilometer 2 bis 3,6):  Schotterwüstung

Am km2, Blick gen Nordosten.
Im Bild ebenso das Hindernis Eichelberg, der westlich und nördlich umfahren werden muss.


Studium des letzten Strecken-Wertes... ...mit Inventarnummernbemalung
Auch 2002 zeigt sich die Notwendigkeit des unterbrochenen Bahndammes
zur Vermeidung einer Hochwasser-Sperrwirkung
2006: Links alte Bahn-, oben neue B-, rechts temporäre Baubrücke
Man kann die Saale in diversen Größen- -ordnungen überbrücken...

 

Bei km 3 nähert sich das Gleis dem höher gelegenen Wirtschaftsweg von Herschfeld...

 

..um einige Zeit parallel zu ihm sich Heusteu (Dreikirchenblick) zu nähern.
Beim See handelt es sich um die hochwasserführenden Flüsse Streu und Saale

 

Abschnitt III  (Kilometer 3,6 bis 5,8):  Radweg

Nach Kreuzen der Straße nach Rödelmaier beginnt die Umfahrung des Eichelberges sowie rechts statt Schrebergarten Klärwerk),...
...heute hier Beginn des Bahntrassenradweges ...nicht ohne dem nahen Heustreu (zusätzlich zum seit Sommer 1977 aufgelassenen Bahnhofs an der Hauptstrecke) einen Haltepunkt zu gönnen
(Bilder von 1996 u. 2003)
Bei km 5 nähert man sich Hollstadt; der heutige Radweg erspart den zugewachsenen Pfad rechts
BayWa und Hp Hollstadt: das Abbau-Zwischenlager Ende 1996
Anfang 1997 wurde gestapelt...  
...oder abgefackelt

 

 

weiter zu Teil 2

 

* Der Begriff Saaletalbahn ist verwechslungsgefährdet:  so firmiert die elektrifizierte ICT-Hauptstrecke Bamberg - Halle (KBS 840/560), die zwischen Kaulsdorf nahe Probstzella/Saalfeld und Halle (Saale) im Tal der "großen" Saale verläuft, unter dem Namen Saalbahn bzw. Saal-Eisenbahn.
Ebenso ist im unteren Lauf der Fränkischen Saale zwischen Bad Kissingen und Gemünden (Main) die eingleisige Regionalbahnstrecke unter dem Begriff "Saaletalbahn" bekannt.  Die Lücke zwischen Bad Kissingen und Bad Neustadt durch das Saaletal sollte einst geschlossen werden, wurde durch die Führung der Hauptbahn über Münnerstadt aber entbehrlich.  Bei Ausführung wäre eine kurze und schnelle Reisemöglichkeit zwischen Meiningen und Frankfurt über Neustadt / Gemünden möglich geworden.


Jede (Mit-) Haftung für Fehler oder Inhalte externer Seiten ist ausgeschlossen.
Hinweise, Kritiken, Bildangebote und -anfragen willkommen per  email